Auf den Leim gegangen?
So mancher hat sich die Augen gerieben und gefragt, ob das wahr sein kann.
Und tatsächlich wirft diese Wahl einige Fragen auf, die wohl nur einer objektiv beantworten kann, der seinen Wohnort liebt und als Aussenseiter auch das Innere kennt.
Zuerst muss man einmal wissen, dass diese Wahl ein schlichter PR-Gag eines schweizer Illustrierten Heftlis ist, dem es in erster Linie darum geht, möglichst gut in der Bevölkerung verankert zu sein, um damit hohe Auflagszahlen zu generieren. Dass man von offizieller Truber Seite aus immer wieder von einer "Amtlicher Wahl" gesprochen hat, ist schlichtweg falsch und man verkennt damit sicher auch, dass man des Geldes wegen ganz einfach einer Marketingstrategie auf den Leim gekrochen ist.
Doch alle haben feucht und fröhlich mitgemacht, sich selbst auf die Schulter geklopft und auch schamlos mit fremden Federn geschmückt. Dass dabei die Stimme der Vernunft völlig untergegangen ist, interessiert wohl niemandem wirklich, denn wer hält sich schon dafür dem geschenkten Gaul ins Maul zu schaun.
Dem Trub seine Seele
Selbstverständlich sind wir ein schönes Dorf. Doch die Wahl kann sich unmöglich auf das Dorfzentrum beziehen. Trub, optisch als Dorf gesehen, besteht höchstens aus acht Gebäuden. Sonst sind wir nämlich eine ausgesprochene Streusiedlung einer der flächenmässig grössten Gemeinde des Kantons. Das eigentliche Dorfzentrum ist nicht etwa die Kirche, der Löwen oder der Toracker. Nein, das eigentliche Dorfzentrum ist ein geteerter Platz. Es ist ein schwarzer, leerer Platz, auf dem kein Kraut wächst, der nicht einmal eine Sitzgelegenheit oder etwa einen Brunnen zur Erfrischung bietet. Er dient in erster Linie als Parkplatz und er ist eigentlich das beste, authentischste Sinnbild unseres Dorfes. Er widerspiegelt unsere Seele und jeder, der Augen hat zu sehen, kann selber darin lesen.
Die Landschaft
Erst wenn man seinen Blick vom schwarzen Nichts zur Landschaft schwenkt, kommt man dem Rätsel langsam auf die Spur. Was sonst, wenn nicht der Dorfkern, macht Trub zum schönsten Dorf der Schweiz? Sind es die umliegenden Hügeln, die Wiesen und Wälder, die herrschaftlichen Bauernhöfe und ausgedehnten Wanderwege? Und tatsächlich, wenn man ein wenig an Flughöhe gewinnt, dann erhält man ein ganz anderes Bild und man kann fasziniert sein vom harmonischen Zusammenspiel von Geologie, Kulturlandschaft und Natur. Doch reicht das aus, um zum schönsten Dorf der Schweiz zu werden? Ich behaupte: Nein. Keine Chance. Wer so etwas behauptet kennt die Schweiz nicht, war noch nie im Appenzell, Jura, Tessin oder der Innerschweiz. Es fehlt ein See, ein markanter Berg oder wenigstens ein touristisches Ausflugsziel mit einer Seilbahn und Drehrestaurant auf dem Gipfel.
Die Bevölkerung
Was ist es dann, das uns zum schönsten Dorf macht? Ist es die Bevölkerung mit einer gelebten, bodenständigen Kultur? Tatsächlich gibt es im Trub ein paar ausgesprochene Persönlichkeiten, die an Bodenständigkeit, Herzlichkeit und Integrität wohl kaum zu übertreffen sind. Seit Generationen leben diese hier in ihren Sippen, vielleicht sogar auf dem Hof ihrer Urahnen, sind herangewachsen wie "Pfyffe Holz", grundsolid, ehrlich und mit Gott und dem Bundespräsidenten auf "Du". Doch diese Persönlichkeiten leben meist zurückgezogen und tun alles, um nicht aufzufallen, oder gar ein offizielles Amt zu übernehmen.
Ich habe lange darüber nachgedacht, warum das so ist. Dabei ist mir aufgefallen, dass das offizielle Trub durchdrungen ist von einem Stammesdenken. "I bi ä Trueber u dessä bini stouz". Dieses Stammesdenken wurde durch die bald 900-jährige Geschichte geprägt und hat wohl viel mit der speziellen geografischen Lage zu tun. Sie ist überhaupt nichts Schönes, weil sie zwangsweise alles andere ausgrenzt. Dazu kommen ungeschriebene Gesetze, die innerhalb des Stammes zählen. Eines davon ist: "Wenn du jemals einen Fehler machst, dann bist du abgeschrieben." Und da jeder schon einmal einen Fehler gemacht hat, sind eigentlich alle abgeschrieben. Wir sind eine tief gespaltene Gemeinschaft. Keiner traut oder gönnt dem anderen etwas. Jeder, der darin aufgewachsen ist, kann das nur sehr schwer sehen, weil er sich nichts anderes gewöhnt ist.
Der Mythos
Ich denke, um herauszufinden, was Trub zum schönsten Dorf der Schweiz macht, müssen wir uns auf einen Mythos einlassen. Trub ist so etwas wie eine Sehnsuchtinsel inmitten der Eidgenossenschaft. Es ist ein Sympathieträger, dessen Grund nur in seiner Geschichte gefunden werden kann. Die oben erwähnte 900-jährige Geschichte ist eigentlich sehr kurz, denn im Neolithikum fand schon reges Leben statt, ganz zu schweigen von den grossartigen römischen Städten, die wir vor 2000 Jahren ringsum schon hatten. Als also 1126 die Besiedelung durch das Benediktinerkloster stattfand, war das Trub eines der letzten noch urbar gemachten Gegenden des Mittellandes. Hier konnte man sich noch unter 1000 m über Meer niederlassen und mit Axt und Pflug eine Existenz aufbauen, Trub, als Eldorado sozusagen.
Und vielleicht sind es eben diese ersten grundsoliden Fankhauser, Zaugg, Habegger, Siegenthaler, Zürcher und Beer gewesen, die als Pioniere dafür verantwortlich sind, dass das Trub eine mystische Strahlkraft besitzt, die bis heute offensichtlich anhält. Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass in der DNA dieser Damen und Herren noch etwas ganz natürliches vorhanden war: die Fruchtbarkeit. Und jetzt kriegt der Mythos ein paar profane Risse und so mancher Stammeshäuptling muss sich, ob diesen Zeilen besser hinsetzen. Vielleicht wird dem Trub auch so viel Sympathie entgegengebracht, weil sich die Truber offensichtlich am Leben gefreut und als Grenzort so manchem verklemmten Katholiken die Freuden des Lebens unter der Reformation zeigten, in dem sie sich freizügig paarten und eine Übermacht an Truber Heimatberechtigten generierten.
Die Königsmacher
Und diese sind es dann auch, die Trub zum schönsten Dorf machten. Es ist ihre Sehnsucht nach einer heilen Welt und nicht unser Kirchenturm, unsere Lage und unsere paar Häuser um einen schwarzen Platz herum. Diese 50'000 auf aller Welt verstreuten Menschen haben zum richtigen Zeitpunkt das Internet aufgesucht und damit natürlich auch die Seite des illustren Magazins. Vielleicht haben sie dabei auch noch gerade ein Jahresabonnement bestellt.
Somit sind nun alle zufrieden und wir können uns wieder getrost ausruhen, auf den Lorbeeren, die wir nicht verdient haben.